Auch wenn es nicht sehr wahrscheinlich ist, könnte heute Abend eine ganze große Karriere zu Ende gehen. Für Phil Taylor beginnt nämlich mit dem Spiel gegen Chris Dobey sein letzter echter Wettkampf – die Weltmeisterschaft, die er in seiner Karriere unglaubliche sechszehn Mal gewinnen konnte. Für diese besondere Situation haben wir bei dartsblog einen Gastautor gefunden, dem es ein besonderes Anliegen war, aus diesem Grund seinen ersten Text bei uns zu schreiben:
Das Taylor Wonderland schließt
Phil Taylor ist der größte Dartspieler aller Zeiten, niemand zweifelt dies ernsthaft an. Nach der WM wird er seine Karriere beenden und nur noch in Showwettkämpfen die Konkurrenz ärgern. Seine Erfolge sind so zahlreich, dass vermutlich nur die wenigsten sie ohne Hilfe aufsagen können. Allerdings ist der Dartsport nur eine Randsportart, der von einigen sogar der sportliche Charakter abgesprochen wird, so dass sein Karriereende in den Medien eher eine Randmeldung ist.
Es ist schade, dass ein so erfolgreicher Sportler abtritt und viele werden nicht mal wissen, dass es ihn gab, geschweige denn wissen was er alles erreicht hat.
Deshalb möchte ich ihm diesen Text widmen und versuchen zu erklären, was ihn für mich so besonders macht. Eine Aufzählung seiner Erfolge wird ihm nicht gerecht.
Seine Rolle für den Dartsport ist schlicht herausragend und lässt sich an einer einfachen Frage illustrieren. Gäbe es ohne Taylor heute noch einen professionellen Dartsport? Für jede andere Kombination aus Sportler und Sportart wäre diese Frage einfach zu beantworten. Das man dies bei Taylor und Darts nicht kann, sagt eigentlich alles. Er war in den 90er Jahren nach dem Split der Zuschauermagnet, er zeigte damals noch nie gesehene Leistungen. Er hob das Spiel auf ein neues Level. Das wollten die Zuschauer sehen. Das hat der PDC enorm geholfen.
Allerdings taugt Taylor nicht zum unbefleckten Helden und es wäre ein Betrug die negativen Aspekte zu verschweigen. 1999 nahm Taylor nach einer Exhibition zwei Frauen mit zu seinem Van, die ihn danach eines „Indecent assault“ (dt. sexuelle Belästigung) beschuldigt haben. Gerade im aktuellen Kontext der so wichtigen #metoo Bewegung, muss man einfach die Vergangenheit von Taylor erwähnen. Taylor wurde damals zu einer Geldstrafe von 2000 Pfund wegen dieser Belästigung verurteilt.
Da niemand außerhalb der Beteiligten dabei war, kann auch niemand sagen, was genau geschah. Taylor wurde verurteilt und musste nicht ins Gefängnis mehr kann ich dazu nicht sagen. Das ist nicht einfach nur ein Makel in seinem Leben, es ist ein schweres Fehlverhalten gewesen.
Mir ist bewusst, dass ich Taylor eigentlich deshalb nicht weiter mögen sollte, nicht mehr mit ihm mitfiebern sollte. Ein solches Vergehen, kann ich persönlich nicht vergessen oder jemals kleinreden. Aber irgendwie kann ich einfach nicht aufhören mitzufiebern, wenn Taylor spielt. Ich gönne ihm weiterhin Siege und Erfolge. Es ist wohl ein Fehler von mir, aber ich kann einfach nicht aufhören ihn zu mögen. Vielleicht sollte ich konsequenter sein, es gibt keine Entschuldigung für ein solches Verhalten.
Bis heute ist kein weiteres solches oder ein anderes Vergehen von Taylor bekannt geworden, man kann also sagen, dass wenn er eine zweite Chance hatte, hat er sie bisher offensichtlich genutzt und nicht verspielt. Ich gebe ihm wohl auch diese zweite Chance, auch wenn ich mich manchmal dafür hasse, dass ich ihn weiterhin mag.
Es mag komisch wirken, dass zu erwähnen, aber dies soll kein Text werden, der einen Sportler blind glorifiziert und zum Heiligen erhebt, wenn er dieser Ehre nicht wert ist.
Kommen wir zu dem Sportler Taylor. Seine Karriere ist einmalig, nicht nur in der Geschichte des Dartsports, sondern auch in der gesamten Sportwelt. Seit 30 Jahren ist Phil Taylor Dartprofi, um die 20 Jahre davon war er, ohne Zweifel, der beste Spieler der Welt. Eine solche Langlebigkeit ist etwas Besonderes, natürlich hilft es, dass Darts ein Präzisionssport ist und keine große körperliche Leistungsfähigkeit erforderlich ist. Aber dennoch haben es fast keine anderen Dartprofis auf eine so lange Karriere gebracht, und niemand schaffte es für so viele Jahre auf einem so hohen Niveau zu spielen wie Taylor.
Taylor hat viele anderen Spieler überlebt. So einige Spieler stiegen in die Weltklasse auf und verschwanden wieder in der Versenkung, während Taylor die ganze Zeit an der Spitze blieb.
Ich weiß nicht wie er es geschafft hat, solange auf diesem Niveau zu spielen und wie er die Motivation für drei Jahrzehnte hochhalten konnte. Er wirkte niemals satt, es mangelte ihm nie an dem absoluten Siegeswillen. Seit 30 Jahren zählt er bei jedem Turnier, an dem er teilnimmt, zu den Topfavoriten. Das sagt einfach alles.
Aber was ich am ehesten mit Taylor verbinde ist wohl einfach seine unglaubliche Brillanz am Oche. Was er mit den Pfeilen alles fabrizieren konnte, ist teilweise schlicht unglaublich gewesen. Am ehesten sind natürlich die zwei Neundarter in einem Match, gegen James Wade, hängen geblieben.
Aber für mich ist es eine bestimmte Szene, die Taylor für mich immer zu dem Meister der Pfeile machen wird. Das Matchplay Finale 2008, wieder gegen James Wade: Taylor benötigt 132 Punkte zum Sieg.
Der erste Dart: Single Bull (25 Punkte)
Der zweite Dart: Triple 19 (57 Punkte)
Taylor braucht jetzt noch 50 Punkte, diese kann er nur mit dem Bullseye erreichen, aber sein erster Dart hat das Bull geblockt, er kann es nicht mehr sehen. Taylor bewegt sich also nach rechts, um eine klare Sicht auf sein Ziel zu bekommen. Am Ende steht er neben dem Oche. Ein Wurf, der eigentlich nicht möglich ist. Eine komplett ungewohnte Position, das kleinste Ziel auf dem Dartboard, dazu noch ein Dart im Weg.
Taylor trifft das Bull. Er hat das Match gewonnen. Mit dem für mich besten jemals in einem Match geworfenen Dart.
Ich würde so einen Wurf keinem anderen Spieler zutrauen. Nur Taylor hat das Selbstvertrauen und das Können für so einen Wurf.
Es mag arrogant klingen, aber für mich ist es schlicht so. Es gibt heute bessere Spieler, die höhere Averages spielen als Taylor, aber im Gesamtpaket bleibt er für mich unerreicht. Diese Mischung aus Nervenstärke und sein Timing, das so oft Fehler seiner Gegner eiskalt bestrafte, wenn es ihnen am meisten weh tat.
Man sieht dieses Können auch heute noch manchmal, zuletzt beim Grand Slam of Darts gegen Daryl Gurney, einem der aufkommenden Stars. Taylor gewann zwölf Legs am Stück und gewann 16:4.
Mittlerweile merkt man ihm aber auch das Alter an, die Konstanz ist nicht mehr da, seine Leistungen sind schwankender geworden und er hat nicht mehr die Ausdauer für mehrere Matches in wenigen Tagen.
Aber würde ich ihn jemals abschreiben? Auf keinen Fall, nicht nach diesem Matchplay im Sommer. Es war sein letztes World Matchplay, sein Lieblingsturnier. Er schlägt Gerwyn Price, Raymond van Barneveld, Michael van Gerwen, Adrian Lewis und Peter Wright. Er gewinnt seinen 16. Matchplaytitel, ein Abschied wie aus dem Märchen. Mehr konnte man sich nicht wünschen. Er hat es noch mal bewiesen, dass er schlicht der Größte aller Zeiten ist.
Es war wohl dieser Sieg der dafür gesorgt hat, dass ich ihn ohne großen Abschiedsschmerz gehen lassen kann. Ich bin sozusagen emotional befriedigt. Außerdem wird er wohl noch auf Jahrzehnte bei jedem Turnier anwesend sein, wenn die Fans „There is only one Phil Taylor“ durch Halle schmettern.
Nun steht die WM an, ein letztes Mal mit Phil Taylor. Seit 1990 war er immer dabei, damals waren einige der heutigen Teilnehmer noch nicht geboren. Ich glaube nicht, dass er die WM gewinnen wird, aber ich bin auch nicht so närrisch und würde es ausschließen. Denn es ist eben Phil Taylor.
Wem, wenn nicht ihm, ist so etwas zuzutrauen?
Taylor wird mir fehlen. Er war immer ein Teil des Sports seitdem ich es schaue. Darts ist Phil Taylor und Phil Taylor ist Darts. So wird es wohl vielen gehen, man kennt diesen Sport schlicht nicht ohne ihn.
Mir wird fehlen, dass für ihn fast alles mit den Pfeilen machbar war. Kein Wurf zu schwierig, kein Druck zu groß. Er hat fast alles hinbekommen.
Mir wird sein ikonische Walk-On fehlen.
Mir wird schlicht seine Anwesenheit fehlen.
Mach es gut, Phil!
Über mich:
Ich bin Sebastian Rump (twitter: @vanJupp) und bin aktuell 22 Jahre alt. Darts verfolge ich schon seit mehreren Jahren und versuche mich auch selbst am Oche, mit gemischtem Erfolg. Noch bin ich BWL-Student, der Traum ist danach mein Geld irgendwie mit Darts zu verdienen, nicht als Spieler, aber auf andere Weise. Allerdings ist dies ein langfristiger Traum.
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